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Clandestin

Ein verwegener Plan 

Einen solchen Blick auf denaturierte Flächen mochte Benoît Doussot nicht, der sich täglich im Weingut und in den Weinbergen Vouette & Sorbée seines Schwiegervaters Bertrand Gautherot bewegte. Also hatte er vor Jahren einen etwas verwegenen Plan. Warum sollte man nicht den Versuch unternehmen, Winzer von der biologischen Bewirtschaftung zu überzeugen, ihnen dann gutes Geld für ihre Trauben geben und so einen Beitrag zum Besseren an der Côte des Bar leisten? Die Côte des Bar ist ja bis heute so etwas wie das Stiefkind der Champagne, das Anfang des 20. Jahrhunderts sogar kurzfristig aus dem Kreis der Champagne-Winzer ausgeschlossen worden war. Bis heute hat das zur Folge, dass es dort keine Premier- oder gar Grand-Cru-Ortschaften gibt. Tatsächlich unterscheidet sich die Côte des Bar von den anderen Teilen der Champagne dadurch, dass es keinerlei Kreide, dafür aber sehr viel Kimmeridge- und Portland-Kalk gibt, ganz so wie im Chablis, das quasi um die Ecke liegt. Benoît Doussot hat sehr schnell die Weinberge und die Winzer gefunden, mit denen er das Projekt starten konnte.

CHRISTOPH RAFFELT

Insgesamt ist es sehr spannend, was sich in den letzten Jahren im „Geheimprojekt“ von Benoît Doussot so alles entwickelt hat.

Die Weinberge und ihr Ausdruck 

Begonnen hat er 2015 mit den zwei Weinbergen Les Semblables und Les Grandes Lignes. Vom Les Semblables hieß es, er sei nach Westen ausgerichtet. Aber genau genommen dehnt sich die Fläche von Norden bis Süden. Weil sich die nördlichen und südlichen Teile sehr stark unterscheiden, hat sich Benoît bei dem aktuellen Jahrgang dazu entschlossen, die beiden Lagen auch separat auszubauen. So sind Boréal und Austral entstanden. Im Prinzip unterscheiden sie sich kaum, sieht man von der Ausrichtung ab. Es gibt Kimmeridge- und Portland-Kalk im Unterboden und Argilo-Calcaire, also ein Lehm-Kalkmergel-Gemisch, im Oberboden. Doch die Champagner – jeweils 100 % Pinot Noir, als Ganztrauben gepresst, spontan vergoren und in gebrauchten Demi-Muids ausgebaut – zeigen das unterschiedliche Mikroklima auf frappierende Weise. Sowohl die Frucht als auch die Säure und der Druck in den Champagnern erweisen sich als deutlich unterschiedlich.

Ähnliches zeigt sich bei den beiden Chardonnays. Den Les Grandes Lignes gab es von Beginn an. Er stammt aus einer 0,42 Hektar-Lage, die südlich ausgerichtet ist, auf 234 Metern Höhe liegt, von Portland-Kalk und Argilo-Calcaire geprägt und dicht bestockt ist mit rund 7.500 Rebstöcken pro Hektar. Ganz ähnlich bestockt ist die neu hinzugekommene Lage Les Revers. Sie aber ist nördlich ausgerichtet, liegt auf rund 255 Metern und ist vom Kimmeridgekalk im Unterboden geprägt. Schon der Les Grandes Lignes ist sehr pur und straight, birgt aber doch auch ausgleichende gelbe und reife Fruchtnoten. Der Les Revers wirkt wie ein Chablis Cru mit Bubbles: pur und präzise, hell und klar, jodig und frisch wie eine Brise vom Meer. Er ist an Pureté schwer zu überbieten und grenzt sich in seiner Spannung und der Säure klar von den Blanc de Blancs der Côte des Blancs ab. Insgesamt ist es sehr spannend, was sich in den letzten Jahren im „Geheimprojekt“ von Benoît Doussot so alles entwickelt hat.

Text von Christoph Raffelt
Dezember 2021
Author Christoph Raffelt