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Weingut am Klotz
Ein Klotz mit feinen Weinen
Man kommt ja kaum umhin, ein bisschen Wortspielerei zu betreiben, wenn ein Weingut „am Klotz“ heißt. Welcher Klotz ist gemeint? Oder wird hier einfach nur besonders reingeklotzt? Tatsächlich handelt es bei diesem Klotz nicht um einen namenlosen großen Stein, sondern um den Isteiner Klotz, der vor Jahrmillionen im heutigen Markgräflerland entstanden ist. Und gleichzeitig handelt es sich dabei um eines der spannendsten, noch weitgehend unbekannten Terroirs, die es im deutschen Weinbau gibt. Dort, in Istein, gab es ein Weingut, das einen Nachfolger benötigte.
Das Weingut am Klotz
Das bekam die Familie Reinecker mit, die im nahegelegenen Auggen die vielleicht beste Sektkellerei Badens betreibt. Die Reineckers wiederum sind mit der Familie Keller vom Schwarzen Adler befreundet und versekten auch deren Weine. Beide Familien kamen schnell zu der Überzeugung, dass man sich ein für Deutschland so einzigartiges Terroir nicht entgehen lassen sollte, und sie beschlossen, dass sich vor allem die jüngere Generation, also Friedrich Keller und die Geschwister Steffen und Katja Reinecker, im Wesentlichen um das neue Projekt kümmern sollten.
Die drei haben direkt damit begonnen, das Weingut auf biologische und nachhaltige Wirtschaftsweise umzustellen. Um dies zu unterstützen, haben sie eine kleine Gruppe von Ouessantschafen – das sind bretonische Zwergschafe – in die Weinberge einziehen lassen, die nun einen großen Teil der Grünpflege übernehmen. Bio war von Beginn an klar; denn schließlich ist die Landschaft, in der Weingut und Weinberge liegen, nicht nur spektakulär schön, sondern eben seit 1986 auch ein Natur- und Landschaftsschutzgebiet.
CHRISTOPH RAFFELT
Bio war von Beginn an klar; denn schließlich ist die Landschaft, in der Weingut und Weinberge liegen, nicht nur spektakulär schön, sondern eben seit 1986 auch ein Natur- und Landschaftsschutzgebiet.
Der Isteiner Klotz
ist ein Felsüberhang, an dessen Anbrandungskehle man heute sehen kann, dass der Rhein an ihm sehr lange gearbeitet hat. Schließlich hat der Isteiner Klotz dem Rhein einst den Weg Richtung Norden versperrt, weshalb er früher über das Rhône-Tal ins Mittelmeer geflossen ist. Heute ist der Fels Teil eines Naturschutzgebietes, bei Kletterern sehr beliebt und auch das Wahrzeichen der umliegenden Weinberge.
Am und im Klotz findet man Relikte aus der Jungsteinzeit, eine Kapelle aus dem 11. Jahrhundert, eine Burgruine und Tunnelsysteme der Nazis, die den Klotz als Teil des Westwalls genutzt und in Teilen auch nach ihrem Gusto zurechtgesprengt haben. Heute bietet er einen Lebensraum für eine Vielzahl von seltenen Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Man findet die Gottesanbeterin genauso wie den Wiedehopf, verschiedene Wildbienenarten und mehr als 350 unterschiedliche Schmetterlingsarten.
Badischer Jura-Kalk
Die Weinlagen des Weinguts sind aber nicht nur landschaftlich spektakulär, sondern auch weinbaulich; denn der Durchbruch des Oberrheingrabens hat im Oberjura eine sogenannte Grabenbruchscholle, also eine Gesteinsformation, zu Tage gefördert, die es so sonst erst wieder im Jura und im Burgund gibt, und zwar Jura-Kalk. Die ältesten Gesteine stellen Tonmergel-Mergel-Wechselfolgen dar, die vom Aussehen Gesteinen des Schweizer und nordostfranzösischen Oberjuras entsprechen. Charakteristisch sind dabei die Mengen an Kalkknollen. Darüber folgen riffkorallenführende Gesteine, ein 40 Meter tiefer Korallenkalk und schließlich mikritische Kalke. Dieses Gestein unterscheidet sich also stark von in Deutschland befindlichen Kalkformationen, weil sonst Muschelkalke, der viel älter sind, oder tertiärer Kalk, der viel jünger ist, vorherrschen.
Weine aus Istein
Wenn zwei Badener Top-Erzeuger zusammenfinden und ihre Erfahrung einbringen, sollte etwas Spannendes entstehen. In diesem Fall sind es Weine, deren Qualität natürlich und vor allem im Weinberg entsteht – wie sollte es anders sein? Die für die Region vergleichsweise früh gelesenen Trauben werden von Hand geerntet, sehr schonend und mit minimalem Schwefel weiterverarbeitet. Die Weine bekommen ihre Schwefelgabe erst zur Füllung. Stabil werden sie vor allem dadurch, dass sie lange auf der Vollhefe liegen, was auch einen Teil ihres Charakters ausmacht. Sie alle verfügen über beeindruckend wenig Alkohol – der Gutedel bringt es gerade einmal auf 11 Vol.-% –, und trotzdem haben sie Tiefe, Saftigkeit und Fülle.
Das ist insofern völlig unerwartet, als die Weine aus dem Markgräflerland und damit aus einem der wärmsten Bereiche Deutschlands stammen. Doch die Weinberge liegen vergleichsweise hoch mit rund 360 Metern, und dort wird es in der Nacht kühl, wenn nicht kalt. So gibt es ein Wechselspiel mit den hohen Tagtemperaturen. Entscheidend für den für deutsche Weine einzigartigen Charakter ist aber sicher der Jura-Kalk.
Der Vergleich von deutschem Spätburgunder mit burgundischem Pinot Noir wird ja ständig gezogen. Hier aber kommt eine Komponente hinzu, die den Vergleich sehr sinnvoll macht. Und da schneidet meines Erachtens der Isteiner Spätburgunder ganz hervorragend ab. Das ist ein Village-Wein auf dem Weg zum Cru-Niveau, und das sehr bezahlbar. Wenn man nun einen Gutedel im Glas hat, wird man den Vergleich mit einem Aligoté nicht so schnell los. Terroir macht halt doch sehr viel aus, wenn es von kundigen Händen und Geistern ins Glas begleitet wird. Über den Guts- und Ortsweinen steht aktuell ein einzelner Parzellen-Weißburgunder aus der Gewann „Scherben“, der in seinem Wechselspiel aus warmen und kühlen, cremigen und kalkigen Komponenten schon jetzt sehr charmant erscheint.
Juni 2022