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Closerie Saint Roc

Eine Closerie ist ein kleines, von einer Mauer umfriedetes Grundstück. Diese Closerie diente damals als Lager, das für die Soldaten beider Seiten Verpflegung bereithielt. Im 19. Jahrhundert entdeckte Alex Anglebin, ein Vorfahre der Familie Amoreau, dieses Stückchen Land gleichsam erneut, nachdem es von der Familie seiner Frau erworben worden war. Er kümmerte sich um die Felder und bepflanzte die Weinberge vor allem mit Mourvèdre- und Colombard-Reben. Da die Eheleute aber keine Nachfolger hatten, verkauften sie die Closerie gegen Ende ihres Lebens. Vor zehn Jahren nun war Pascal Amoreau auf der Suche nach einem Ort, der als Lager für sein Château le Puy dienen konnte. Und er fand dieses Anwesen, das an derselben Straße wie das Château liegt und zum Verkauf stand. Er entdeckte bald, dass es nicht nur als Lager interessant war, sondern dass auch die Böden ein exzellentes Terroir boten. Also erwarb er es, machte sich über die Historie kundig und nannte es La Closerie Saint Roc. Es war die Chance, Adrien und Valérie Amoreau die Möglichkeit zu geben, eigene Weine zu erzeugen und Harold Langlais als Partner des Projekts mit einzubeziehen.

Ein besonderes Terroir

Die Closerie Saint Roc umfasst 16 Hektar, die sich auf verschiedenen Parzellen in einer Höhe von 90 bis 106 Metern verteilen. Die Reben sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. Sie wurzeln in einem Boden, dessen Oberfläche sich je nach Parzelle in unterschiedlicher Tiefe von 50 bis 100 cm aus Ton, Lehm, Schluff und Sand zusammensetzt, während der Unterboden aus einem Kalkfelsen mit einem hohen Anteil an versteinerten Seesternen besteht, dem sogenannten Roche calcaire à astéries, der eine hohe Säure und Mineralität aufweist und auch für Saint-Émilion typisch ist.

VINATUREL

Wie Le Puy wird auch die Closerie komplett biodynamisch bewirtschaftet.

Gelernte biodynamische Landwirtschaft 

Die Familie Amoreau hat in ihrer langen Geschichte immer Weinbau betrieben. Die für die Gegenwart richtungsweisende Weinbaugeschichte begann im Jahr 1964, als Pierre-Robert Amoreau Mitglied und Gründer der Association Nature & Progrès wurde, um sich für die Förderung und Entwicklung einer biologischen Landwirtschaft einzusetzen. Auf synthetische Spritzmittel und chemische Dünger hatte die Familie Amoreau bereits seit 1924 verzichtet. Sie gehörte damit zu den wichtigen Vorreitern dieser Art von Landwirtschaft, die sich im Bordelais nur sehr langsam etablierte. Etwas später kam die Biodynamie hinzu, und so gehörte die Familie wiederum zu den Ersten, die sich als französisches Weingut dem demeter-Verband anschlossen. Doch damit nicht genug. Im Bewusstsein der schädlichen Auswirkungen von Monokulturen wurden bereits ab 1970 Teile der Rebflächen durch Teiche, Waldstücke, Obstgärten, Hecken und Wiesen ersetzt, um die Gesundheit des Ökosystems durch Biodiversität zu fördern. Die Familie hat also das, was heute als Agroforstwirtschaft bezeichnet wird, vorweggenommen. 2006 wurden die ersten Bienenvölker in den Weinbergen angesiedelt. Seit 2008 wurden die Weinberge mit Pferden bearbeitet. 2001 wurde zum ersten Mal der ökologische Fußabdruck des Weinguts berechnet, der seitdem von Jahr zu Jahr günstiger ausfällt. Seit dem Jahr 2016 widmen sich Jean-Pierre Amoreau und sein Sohn Pascal zudem der Permakultur, und seit 2021 führen sie zusammen mit der Universität Genf Forschungen zum Ersatz des Kupfers in den Weinbergen durch.

Weine wie vor 100 Jahren 

Einhergehend mit der Arbeit im Weinberg sollen die Weine auch im Keller möglichst natürlich und mit so wenig Eingriffen wie möglich entstehen. So haben die Amoreaus schon früh nahezu sämtlichen Hilfsmitteln im Keller eine Absage erteilt. Auch Verfahrensweisen wie starke Extraktion oder der Einsatz von Barriques, vor allem stark geflämmten Barriques, wurden abgelehnt. Die Weine werden in alten Fässern ausgebaut. Bereits im Jahr 1990 wurden die ersten Weine ohne die Zugabe von Schwefel ausgebaut. Die Zugabe entscheidet Jean-Pierre Amoreau je nach Jahrgang. Die Jahrgänge 2016 und 2018 wurden auf der Closerie Saint Roc nicht geschwefelt, der Jahrgang 2020 nur minimal. So entstehen Weine, die zeitlos erscheinen und in vielerlei Hinsicht in dieser Weise auch schon vor 100 oder mehr Jahren erzeugt wurden. Natürlich wenden die Amoreaus auch moderne Erkenntnisse an, aber sie verlassen sich vor allem auf das Wissen ihrer Ahnen, die penibel ihre Kellerbücher geführt haben. Schon Barthélemy Amoreau hat in den 1870er Jahren Weine ohne Schwefel ausgebaut. Ihre Weine wurden bis heute nie in temperaturkontrollierten Kellern ausgebaut, und trotzdem kann man sie zurück bis ins Jahr 1917 genießen. Die konsequente Arbeit in den Weinbergen und im Keller und der Verzicht, den Moden zu folgen, führen auf der Closerie zu Weinen, die geprägt sind von Transparenz und Frische. Die Jahrgänge 2016 und 2018 sind eine Cuvée aller Parzellen mit rund 70 % Merlot, 20 % Cabernet Franc und 10 % Cabernet Sauvignon. Sie sind von dieser Stilistik ebenso geprägt wie vom Jahrgang. Beim 2016er wirkt das Tannin kraftvoller und präsenter, der 2018er wirkt konzentrierter, farblich wie aromatisch dunkler und geschmacklich dichter. Die 2020er Weine teilen sich auf in die Parzellenweine Les Pins, Les Noyers und Les Sureaux.
Text von Christoph Raffelt
November 2023
Author Christoph Raffelt