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Velich

Tief verwurzelt im Seewinkel

Heinz Velich ist kein Mann der vielen Worte. Obwohl er längst als einer der ganz Großen unter Österreichs Winzern gilt, ist sein Auftritt immer bescheiden. Seine Worte sind mit Bedacht gewählt. Diesen Charakterzug merkt man auch seinen Weinen an. Sie sind ruhig, ruhen in sich und wurden mit Bedacht erzeugt. Velich lässt ihnen Zeit und behandelt sie so zurückhaltend wie möglich. Die Weine wie auch ihr Erzeuger sind Kinder des Neusiedler Sees. Dieser See gehört zu den ungewöhnlichsten Landschaften Mitteleuropas. Es handelt sich um einen sogenannten Steppensee. Mit einem Wasserstand von höchstens 1,80 Metern – der Bodensee ist zum Vergleich bis zu 254 Metern tief – und flachen, von Schilf gesäumten Ufern ist er eines der wichtigsten Feuchtgebiete Europas mit einer einzigartigen Flora und Fauna.

CHRISTOPH RAFFELT

... von Schilf gesäumten Ufern ist er eines der wichtigsten Feuchtgebiete Europas mit einer einzigartigen Flora und Fauna.

Typisch für Steppenseen ist der hohe Salzgehalt, der sich am Neusiedler See auch in 40 sogenannten Salzlacken zeigt, Mulden voller Salzwasser. Eine dieser Lacken heißt Darscho. Die Velichs leben im Seewinkel des Neusiedler Sees, der im benachbarten Ungarn Fertő-Tó genannt wird und zum UNESCO-Welterbe zählt. Am See treffen nicht nur Österreich und Ungarn aufeinander, sondern auch ein pannonisches und ein teilweise schon mediterran ausgerichtetes Klima. Die starke Verdunstung am See führt in Jahren wie 2022 dazu, dass der See von Austrocknung bedroht ist. Gleichzeitig hat diese Verdunstung den Neusiedler See zu einer der berühmtesten Regionen für Süßwein werden lassen, da sich in den Weinbergen schnell die Edelfäule Botrytis bildet.


Der "sense of place" im Wein

Mit all diesen Einflüssen erzeugt Heinz Velich Weine, die diese Landschaft in hohem Grade in seinen Weinen widerspiegeln. Zu Beginn war das nicht so. Da haben Heinz und Roland einen Tiglat erzeugt, der es mit den damals gängigen Chardonnays der Weinwelt aufnehmen wollte. Es gab von allem viel: viel Saft, viel Butter, viel Crème, viel Holz. Doch der Geschmack änderte sich. Er entfernte sich vom internationalen, letztlich austauschbaren Stil hin zu einem, der das Terroir oder den sense of place widerspiegelt. Dabei ist Velich sich allerdings in einem Punkt treu geblieben: Er baut seine beiden Chardonnays Tiglat und Darscho weiterhin im kleinen Holz aus, nur eben nicht mehr im stark geflämmtem Holz, nicht mehr mit batonnage. Was er heute macht, ist low intervention.

Das beginnt im Weinberg, wo er schon lange biologisch arbeitet, nur dass er es nicht auf die Etiketten schreibt. Aber er gibt Brief und Siegel drauf. Auf den Etiketten steht auch nur Wein aus Österreich. Mit Autoritäten, die ihm vorschreiben, wie seine Weine zu schmecken haben, hat er es nicht so. Statt sich in die Weingesetze des Landes einzufügen, benennt er die Weine nach seiner Heimat.

 Tiglat steht für den Weinberg, in dem sein Vater Helmut 1959 die ersten Chardonnayreben gepflanzt hat – übrigens in der Annahme, es handle sich um Weißburgunder. Deshalb konnten seine Söhne Heinz und Roland, als der Chardonnay in den 1990er Jahren zu einer weltweit begehrten Rebsorte wurde und auch in Österreich sehr viele Winzer Chardonnay pflanzten, schon über alte Reben verfügen. Darscho heißt Heinz Velichs Chardonnay Village, benannt nach einer der Salzlacken. Der nächste Wein ist der To. Strenggenommen müsste er Tó heißen, also See auf Ungarisch. Der To ist eine Cuvée aus Chardonnay, Sauvignon Blanc und Welschriesling – eine ungewöhnliche Cuvée, aber ein großartiger Repräsentant der Landschaft mit einer enormen Salzigkeit. Das ist ein Charakterzug, der alle Weine Velichs prägt, auch den Einstiegswein, den Welschriesling, der so eigenständig wie nur wenige andere Weine dieser Sorte schmeckt. Welschriesling ist zwar die am zweithäufigsten angebaute weiße Sorte in Österreich, er wird aber notorisch unterschätzt und meist als einfacher Trinkwein ausgebaut. Velichs Muskat Ottonel zeugt von derselben Hochachtung, die der Winzer tendenziell unterschätzten Sorten entgegenbringt.


Diese Muskat-Variante gilt gemeinhin als die schwächste aus der Familie der Muskateller. Doch Velich erzeugt hier einen eigenständigen, duftigen und intensiven Charakterwein, knalltrocken, aromatisch und würzig. Und noch etwas findet sich in seinem Sortiment. Auch wenn der Winzer sich vor allem den trockenen Weißweinen verschrieben hat, ist er doch auch ein Meister der Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen, die mit einer perfekten Süß-Säure-Balance aufwarten und immer die für Velich so typische Salzigkeit aufweisen. Da es am Neusiedler See anders als in anderen Regionen einfacher ist, diese Weine zu erzeugen, und da es wegen des Klimas nahezu jedes Jahr möglich ist, Beerenauslesen zu vinifizieren, bietet Velich diese extrem komplexen Weine zu einem beeindruckend günstigen Preis an.

Auch bei den Süßweinen bleibt er seinem Stil treu: Sie reifen so wie der Tiglat und der Darscho im kleinen Holzfass. Der To reift im großen Holz und die Einstiegsweine im Stahl. Alle Weine werden spontan vergoren und bis auf wenig Füllschwefel nicht behandelt. Sie reifen lange auf der eigenen Hefe, vor allem der Vollhefe, die die Weine sehr stabil werden lässt. Es wird nicht geschönt oder filtriert. Letztlich sind dies Naturweine in einem sehr umfassenden Sinne. Sie sind sensibel, wirken so laid-back wie die Musik eines erfahrenen Jazz-Musikers, zeigen ihre Herkunft so ungeschminkt, aber so elegant und finessenreich wie möglich.

Text von Christoph Raffelt
September 2022
Author Christoph Raffelt