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Moric

Eine Rebsorte und ihre kulturelle Herkunft

Die Entstehung des Blaufränkisch liegt bis heute im Dunkeln. Zwar ist väterlicherseits eine Verwandtschaft mit dem Weißen Heunisch (Gouais Blanc) und der Blauen Zimmettraube nachweisbar, doch die Muttersorte hat man bis heute nicht gefunden. Dass es den Blaufränkisch schon lange in Österreich, vor allem im benachbarten Ungarn und weiter Richtung Pannonische Tiefebene gibt, wird dadurch deutlich, dass es rund 120 Synonyme gibt, von denen Kékfrankos und Lemberger heute die gebräuchlichsten sind. In Kroatien nennt man die Sorte Borgonja, in Rumänien Burgund Mare und in Bulgarien Gamé. Man ist wohl lange davon ausgegangen, dass sie mit Karl dem Großen, seinen Reichsverwesern oder mit Mönchen aus dem Burgund gekommen ist. Nachweisen lässt sich dies nicht. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie ein Kind der Pannonischen Tiefebene ist, wo sie sich auch am stärksten ausgebreitet hat.

Noch heute stehen in Ungarn rund 8.700 Hektar unter Reben. In Österreich sind es um die 3.000, in Deutschland rund 1.900 Hektar. Dass diese Sorte so eng mit der Region der Kaiserlichen und Königlichen Monarchie Österreich-Ungarns verknüpft war, hat wohl auch bis vor wenigen Jahren für den fehlenden Erfolg gesorgt. Sie ist als hochklassige Rebsorte in den Wirrungen der Kriege und den Grenzziehungen zerrieben worden. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde das Burgenland geteilt, der Adel verließ weitgehend seine Ländereien. Die Strukturen wurden entweder kleinbäuerlich, oder sie gingen in Ungarn später in großen Agrarbetrieben auf. Große Weine wurden dort nicht erzeugt. Man beschränkte sich eher auf Tischweine oder solche für den Eigenbedarf. Der Zweigelt lief dem Blaufränkisch mit seiner geschmeidigen und eher einfachen Art den Rang ab. Erst Ernst Triebaumer schuf 1986 mit dem Blaufränkisch Marienthal den ersten ernstzunehmenden reinsortigen Wein aus dieser Sorte, der auch Aufmerksamkeit erlangte. Es folgten weitere in einer Manier, die sich an den von Robert Parker proklamierten Bordeaux-Stil anlehnten. Bis weit in die 2000er hinein war der Blaufränkisch ein konzentrierter und extraktreicher Wein, gefüllt in eine Bordeauxflasche.

CHRISTOPH RAFFELT

In seiner Vielschichtigkeit, Klarheit, Finesse und Trinkfreudigkeit und seiner auch so zurückhaltenden Preisgestaltung ist er eine Offenbarung.

Vom Tiglat zum Lutzmannsburg

Roland Velich stammt aus einer Winzerfamilie aus Apetlon im Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel im Burgenland. In den 1990er Jahren hat er mit seinem Bruder den Tiglat geschaffen. Der war nach dem Glykol-Skandal einer der ersten großen Weißweine Österreichs, die auf internationaler Bühne bekannt wurden. Die Brüder profitierten davon, dass ihr Vater schon 1959 Chardonnay in einer Parzelle gepflanzt hatte, die man im heimischen Dialekt Tiglat nannte. Der Chardonnay aber war nicht wirklich das, was Velich suchte in seiner Begeisterung für das Land, aus dem er stammte.

In ihm reifte die „Idee, nicht nur im, sondern vielleicht auch aus dem Land heraus leben zu können.“ Das Medium sollte Wein sein, und dies stellte den Beginn einer „Begehung“ dar: „Vom Osten des Sees über das Westufer, die Hügel von Ödenburg bis zu den Ausläufern des Günser Gebirges, voll mit neuen Ideen und dem kategorischen Ansatz, Schönheit zu finden, sowie getragen vom Imperativ, verstehen zu wollen, bin ich bis heute am Gehen, Suchen, gewillt zu verstehen und zu lernen, Perspektiven und Paradigmen zu verwerfen und neue zu finden. Was ich gefunden habe, ist eine grandiose Kulturgeschichte des Weinbaus, uraltes Kulturland, das sich in den letzten hundert Jahren verloren hat, Weinschätze, die zu den wertvollsten und am meisten gesuchten der Welt zählten, heute aber verstaubt, überlagert und versunken sind.“

All das hat Velich in der Auseinandersetzung vor allem mit dem Blaufränkisch gefunden, dem er sich seit 2001 intensiv widmet. Sein erster Jahrgang ist von der nationalen Presse als „saure Sauce“ bezeichnet worden, weil Velich den Bordeaux-Epigonen im Stile eines Michel Rolland von Beginn an Finesse, Transparenz und die dem Blaufränkisch eigene Säure entgegensetzte und Weine ausbaute, wie man es in Burgund tat, aber nicht im Burgendland. Dabei setzte er nicht nur auf eine bis dato für Österreich unübliche Ausbauart, er suchte und fand auch die alten Parzellen auf besten und markanten Böden wie zum Beispiel jene in Lutzmannsburg, die bis heute für seinen größten Wein stehen.

Die Größe beginnt beim einfachsten Wein

Dass Roland Velich ein Meister des Blaufränkisch geworden ist, zeigt sein einfachster Wein, der alles bereits in sich trägt, was die Weine von Moric ausmachen. In seiner Vielschichtigkeit, Klarheit, Finesse und Trinkfreudigkeit und seiner auch so zurückhaltenden Preisgestaltung ist er eine Offenbarung. Der Blaufränkisch ist ein Wein, der viel mehr ist als eine Visitenkarte von Roland Velich, und gleichzeitig ist er eigentlich genau das; denn all das, was man bei der Reserve oder später beim Lutzmannsburg erkennen kann, steckt schon in diesem Wein. Der Blaufränkisch ist der Wein, den man in großen Schlücken trinken will, und zwar ganz egal, ob man ihn nur locker in großer Runde trinken möchte oder ob man sich intensiv mit ihm beschäftigen und seine vielen Facetten entdecken will. So geht es weiter von Wein zu Wein, von der Moric Reserve zum Jagini und zum Lutzmannsburg. Es wird immer komplexer, immer tiefer und auch langlebiger, obwohl man auch den Blaufränkisch sicher über zehn Jahre mit Genuss trinken kann. Und doch bleibt immer der klare Zug und die Lust und Frische im Wein. Mit der Hausmarke rot bietet Velich einen Wein an, der ebenfalls diese Frische und Klarheit in sich trägt, der mit dem Ausbau in der Solera und einer Cuvée unterschiedlicher Sorten aber einen anderen Ansatz und eine unterschiedliche Aromatik in sich trägt. Die Hausmarke weiß verbindet Chardonnay und Grünen Veltliner zu einem ganz eigenständigen, sehr naturalistisch, stoffig, saftig und elegant wirkenden Weißwein, während der Sankt Georgen Grüne Veltliner, der meist aber nicht so heißen darf, die große Eigenständigkeit der Sorte auf kalkhaltigen Böden offenbart. Das gefällt der Weinkontrolle offensichtlich nicht; denn sie straft den Wein regelmäßig zum Landwein ab, weshalb er seine Herkunft nicht offiziell offenbaren darf.

Mit dem Hidden-Treasure-Projekt bietet Velich Winzern aus Ungarn, die hier noch weitgehend unbekannt sind, die Möglichkeit, sehr eigenständige Weine aus oft sehr traditionsreichen Regionen wie Balaton oder Somló zu präsentieren. Es sind in hohem Maße eigenständige und charaktervolle Weine, bei denen Velich beratend tätig ist. Es ist vor allem sein Verdienst, dass wir die Weine, die aus dieser alten Kulturlandschaft, die Velich so am Herzen liegt, kennenlernen können.

Velichs Weine entstehen, wie sollte es anders sein, mit viel Arbeit im Weinberg. Im Weinkeller werden die mittlerweile biologisch zertifizierten Trauben nur spontan vergoren, wobei der Blaufränkisch meist in offenen Bütten vergoren wird. Die Weine sehen vor allem Großes Holz aus heimischen Wäldern. Der Holzabdruck ist jedoch sehr zurückhaltend bis minimal. Die Weine werden nicht gefiltert oder geschönt und nur minimal geschwefelt. Weine wie der Lutzmannsburg 2013 oder 2011 sowie der Jagini 2011 zeigen, welches Potential, welche Schönheit und welche Eigenständigkeit der Blaufränkisch bieten kann. Roland Velich verortet den Blaufränkisch zwischen Burgund, Piemont und der Nordrhône. Je länger man die Weine reifen lässt, desto klarer wird die Nähe zu diesen Regionen – und ebenfalls die große Eigenständigkeit, die diese Sorte hat und die ihre Weine auszeichnet, wenn man sie denn lässt.


Text von Christoph Raffelt
März 2022
Author Christoph Raffelt